Florinstraße

Wir bewegen uns nun in der Unterstadt, wo noch heute der einst ackerbürgerliche Charakter an den Gehöften erkennbar ist. Gegenüber dem Haus Bornstraße 3 geht die Florinstraße ab. Hier wohnte im mittleren Teil der Straßenfront, Nr.1-3, heute abgerissen (1), Friedrich Karl Oster. Sein Vater Matthias (2) betrieb einen Landhandel. Nach 1933 lebte die Familie aber von Gelegenheitsarbeiten und Sozialhilfe. Geboren am 22.10.1911, fiel Fritz Oster in den letzten Kämpfen des Krieges vor Wiener Neustadt am 02.04.1945. Sein Großvater Levi Oster trat anlässlich seiner Ehe mit Katharina Sesterhenn im Jahre 1861 zum katholischen Glauben über und nannte sich danach Anton Oster. Friedrich Karl war Mitglied im Doppelquartett “Frohsinn“, geleitet von J.E. (3) E. erhielt mit Datum vom 02.01.1938 ein Schreiben des Obersturmbannführers Foeckler des Sturmbanns II/23 aus Polch. Vorausgegangen war eine Auseinandersetzung des Fritz Oster mit SA Männern.
“Nach den getätigten Feststellungen ist Oster, der jüdischer Abstammung ist, auch im “Doppelquartett“ führend tätig. Judenblut, jüdischer Geist, jüdische Frechheit, jüdische Raffinesse in einem Deutschen Sängerquartett? Verstehen Sie das in ihrer Eigenschaft als Deutscher Beamter? Entschuldigen Sie bitte-mir bleibt die Spucke weg! Es ist kaum glaubhaft! Dulden sie das, dass neben diesem Judenlümmel Deutsche Volksgenossen stehen, Volksgenossen, die des Führers Soldaten sind, Männer der SA? Oder sollte das Quartett auf jüdisches Stimmenmaterial angewiesen sein? Dann bitte lassen Sie die Leitung des Quartetts nach Palästina exportieren. Für ein „Doppelquartett“ dürfte aber das notwendige Stimmenmaterial ohne jüdischen Einschlag in Münstermaifeld zu finden sein.“ Unter dem 06.01.1938 protokollierte E. als Ergebnis der Generalversammlung des Doppelquartetts “Frohsinn“. “Nachdem Oster bereits von sich aus vor einigen Tagen erklärt hatte, dem Quartett durch seine weitere Mitgliedschaft keine Schwierigkeiten bereiten zu wollen und deshalb freiwillig, doch schweren Herzens, ausgetreten ist, wurde die Angelegenheit als erledigt betrachtet.“
Am 24.11.1947 schrieb E. einen Kondolenzbrief an die Witwe des gefallenen Fritz Oster: “ Die Nachricht vom Heldentod ihres lieben Gatten hat uns tief erschüttert, …. Wir verlieren in ihm eines unserer besten Mitglieder. Für das Doppelquartett war ihm keine Zeit zu kostbar. Sein heiteres, aufgeschlossenes und sonniges Wesen, seine stete Hilfsbereitschaft und sein musikalisches Können machten ihn uns zu einem schätzenswerten und unersetzlichen Kameraden, dem wir auch über das Grab hinaus ein ehrendes Andenken bewahren werden.“

„Christine Oster, geboren am 20. April 1884 in Münstermaifeld, zuletzt wohnhaft in Bonn, Bonnerthalweg 10, wurde am 18. September 1944 als Nichtarierin von der Gestapo verhaftet. Sie kam von Bonn nach Köln in die Messehallen, wo sie 5 Tage blieb, bis ein größerer Transport zusammen war. Von dort aus sollte sie mit Transport über Kassel nach Theresienstadt. In Kassel wurde der Zug nachts von einem Bomberangriff überrascht, es gab Tote und Verwundete und so gelang es meiner Schwester mit noch 3 Kölner Frauen zu flüchten. In Kassel liehen sie sich von einem katholischen Geistlichen das Fahrgeld. So gelang meiner Schwester die Flucht zu meiner Tochter in Remscheid, bei der sie sich 5-6 Wochen aufhielt. Da meine Tochter sie nicht noch länger verbergen konnte, ging sie nach Niederdollendorf am Rhein zu einer Nichte, Frau Meta Seidel (Margarete Seydel), Heisterbacherstraße 2 wohnhaft. Als es für sie auch dort nicht mehr sicher war, ging sie von dort aus auf Reisen und wurde zuletzt von einer Münstermaifelder Frau bei Fliegerangriffen im Bunker von Mainz und Worms gesehen. Ich vermute, dass sie bei ihrer Reise wiederum von der Gestapo verhaftet wurde.

Ich bitte die Behörde, wenn möglich nachzuforschen und bitte sie höflichst mir an folgende Adresse Nachricht zukommen zu lassen.

Matthias Oster, Münstermaifeld Florinstraße 104″.

Diese Anfrage,des Matthias Oster, mit der er sich nach dem Schicksal seiner Schwester erkundigte, schickt das Amt Münstermaifeld am 4. Oktober 1945 an das Amt Niederdollendorf. Am 31. Oktober kommt von dort eine Antwort mit einem Brief der Margarete Seydel, der am 10. November Matthias Oster ausgehändigt wird. (Brief ist nicht erhalten)

Christine Oster, geboren am 18.April 1884 in Münstermaifeld,arbeitete als Buchhalterin in Godesberg und Königswinter. Seit 1936 lebte sie, beschäftigungslos, in Bonn.Sie war als „Mischling 1. Grades“ im Zusammenhang mit der „September Aktion“, inhaftiert worden. Mit dieser Aktion sollten Juden aus Mischehen und arbeitsfähige „Mischlinge 1. Grades“ der Organisation Todt als Zwangsarbeiter zugeführt werden.Christine Oster kehrte am 18.12.1945 nach Bonn zurück. Sie starb in Bonn am 22.Juli 1947. Bisher konnte nicht geklärt werden wie sie das Kriegsende überlebte..