Nach Fertigstellung der Synagoge als Mahnmal, ihrer Nutzung als Veranstaltungs – und Begegnungsstätte, sollte noch ihre Funktion als Lernort ergänzt werden. Nora Kaufmann, 2016 verstorben, musste mit 17 Jahren 1935 Münstermaifeld über London nach Palästina verlassen. 1986 verwies sie in einem Brief an Frau Elz-Eichler auf die Chance, die wieder aufgebaute Synagoge als Ort des Lernens zu nutzen. Wolfgang Saß, Kunsterzieher am Kurfürst Balduin Gymnasium, hatte 1997 diese Idee aufgegriffen und mit seinem Leistungskurs Bildende Kunst in Auseinandersetzung mit der Ruine eine Ausstellung erarbeitet. Wolfgang Saß beschrieb den Prozess der Projektentwicklung: “Aus dem „Wie“ als Frage nach dem zukünftigen Umgang mit dem Unfassbaren entwickelte sich die Idee eines produktiven, nach vorne gerichteten Umgangs mit den Ereignissen des 9. November. Die Synagoge sollte auch für die Zukunft ein Ort des Gedenkens, des Sich-Erinnerns sein. Gleichzeitig und darüber hinaus eröffnete sich die Chance der lebendigen Auseinandersetzung mit der Geschichte und mit der christlich-jüdischen Kultur in Vergangenheit und Gegenwart“. Von diesen Überlegungen gingen auch wir aus, als wir uns entschlossen, die vorgesehene Dauerausstellung als mögliches Ergebnis einer Auseinandersetzung junger Menschen mit der Geschichte der Synagoge und damit der jüdischen Gemeinde in Münstermaifeld zu gestalten.

Wolfgang Schäfer bot sich ich Im Schuljahr 2013/14 an als Klassenlehrer der Klasse 10b unserer Partnerschule, des Kurfürst Balduin Gymnasiums, mit seinen Schülern das Projekt “Mahnmal Synagoge, Spurensuche“ zu übernehmen. Über ein Jahr arbeiteten die Schüler in der Schule, der Stadt, der Synagoge, in Archiven, weit über die Pflichtstundenzahl hinaus. Von der Materialsammlung über das Design der Ausstellungstafeln bis zur Präsentation der Ausstellung in einer Feierstunde und der Vorstellung des Projektes vor dem Stadtrat planten, gestalteten und korrigierten die Schüler den Prozess der Fertigstellung. Die Fragen, die zu den 16 Themen führten, nach denen wir die Ausstellung gliederten, ergaben sich aus der Konfrontation mit dem Vorwissen über das Zusammenleben mit jüdischen Nachbarn in der Stadt und den Dörfern, aus denen die Schüler kamen.

Bald zeigte sich, wie wenig ergiebig die Suche nach Zeitzeugenschaft in den Familien, nach erinnerten Erzählungen, nach Auseinandersetzung mit dem mörderischen Handeln in den Publikationen der Vereine und Institutionen der Stadt war. Die Verdrängung und Verweigerung der Erinnerung zeigte sich besonders am Schicksal einer oft vergessenen Opfergruppe, den “Zigeunern“ und “Mischlingen“ im Jargon der Verachtung. Aus Münstermaifeld wurden 26 von ihnen nach Auschwitz deportiert, 17 wurden dort ermordet. An diese Männer, Frauen und Kinder gab es bisher kein Erinnern, kein Gedenken. Wir haben ihnen eine Tafel der Ausstellung gewidmet.

Mit einem Stadtrundgang “Auf den Spuren jüdischer Nachbarschaft“, den die Schüler ausarbeiteten, versuchten wir die Häuser, in denen jüdische Familien bis zu ihrer Deportation lebten, als Zeugen des Verbrechens zum Sprechen zu bringen. Mit unserem Wissen über das Schicksal der Menschen, die in ihnen lebten, wurde uns eindringlich erfahrbar, wie nahe allen, trotz des Krieges, das Schicksal der Deportierten hätte sein müssen.

Wir waren auf Spurensuche, so wollten wir auch unsere Ausstellung verstanden wissen. Nicht um leichten Zugang ging es, sondern um Zumutung und Auseinandersetzung. Die Ausstellung ist so positioniert, dass wir beim Blick auf die Tafeln zugleich die Reste des Wandverputzes der geschändeten Synagoge sehen. So werden Rekonstruktion und Realität zu einer Einheit.

Für die Ausstellung hoffen wir, dass sie nicht als Vorgabe, sondern als Aufgabe verstanden wird.