Herrenstraße

Siegfried Diewald hatte das Haus Nr 16 (1) im Jahre 1915 gekauft. Nach dem Tode seiner Frau Regina 1937, zog er zu seinem Bruder Moritz in die Bornstraße 3. Siegfried Diewald war kinderlos. Er war Viehhändler und führte zusammen mit seinem Bruder die Metzgerei in der Bornstraße. Wie sein Vater David (1903-1909) war er Vorsitzender der Synagogengemeinde (1930-1941). Sein Bruder Moritz starb 1941 in Dachau, sein Bruder Julius wurde 1942 in Treblinka ermordet. Dem Bruder Siegismund gelang über Lissabon 1941 noch die Flucht in die U.S.A. Die Brüder Hugo und Josef waren schon im 19.Jh. In die Vereinigten Staaten ausgewandert.Siegfried Diewald, der ein selbstbewusster und streitbarer Mann war, geriet schon früh in das Visier der nationalsozialistischen Scharfmacher. Das Foto (2) zeigt Siegfried Diewald im Kreis seiner Kegelbrüder im Jahre 1922. Hinter ihm steht der Amtsbürgermeister Doetsch, der am 29. März 1933 auf Anzeige des Stahlhelmführers P. S. seinen Kegelbruder auf der Grundlage der “Heimtücke Verordnung“ wegen Gräuelpropaganda vor das Sondergericht in Köln briachte. Angezeigt hatte ihn der damalige Stahlhelmführer P.S. Unter Aufbieten von 7 Zeugen wird ihm vorgehalten, er habe erzählt, dass 100 000 Franzosen Mainz besetzen sollen. Hitler sei am Ende. Dank der Zeugenaussagen konnte klargestellt werden, dass er nur die Schlagzeile einer Zeitung “100 000 Franzosen marschieren auf Berlin“ vorgelesen hatte. Im Rahmen der Zeugenvernehmungen und der Untersuchung vor Ort betonte er, dass er immer nur nationale Parteien gewählt habe. Das mag ein taktisches Bekenntnis gewesen sein. Auf jeden Fall war er auch politisch engagiert. Er hatte 1919 und 1924 für den Stadtrat kandidiert. Am 28. Oktober 1935 waren dem Siegfried Diewald die Läden seines Hauses gestohlen worden. Am 18. Dezember hieß es im Polizeibericht lakonisch: “Die Juden haben ihre Fensterläden wieder. Die Täter waren nicht zu ermitteln.“ Siegfried Diewalds letzter Einsatz für die Gemeinde war der Versuch die Thorarolle aus der brennenden Synagoge zu retten. Danach konnte er bis zu seiner Deportation das gemeindliche Leben in Münstermaifeld nur noch abwickeln. So musste er am 21.01.1942 die Eingliederung des Wohltätigkeitsvereins in die Reichsvereinigung der Juden in Deutschland, die unter Kontrolle des RSHA stand, bestätigen. Siegfried Diewald wurde an unbekanntem Ort ermordet.

Mit der Durchsetzung der allgemeinen Schulpflicht besuchten seit 1830 die Kinder der jüdischen Familien die Knaben und Mädchenschulen des Ortes. In Foto (3) sehen wir die Mädchenschule (1897-1925), nach Auflösung der Seminarschule auch Schule für die Jungen. Obwohl bis zum 1. Weltkrieg die Schulaufsicht in Händen der Ortsgeistlichkeit lag, scheint der gemeinsame Schulbesuch keine großen Probleme bereitet zu haben. Bis zur Gründung der Synagogengemeinde Münstermaifeld 1863 wurde der Religionsunterricht als Privatunterricht der begüterten Familien organisiert. Danach gab es einen Jahrzehnte währenden Streit mit der Gemeinde um Zuschüsse für einen Religionslehrer. Im Jahre 1912 besuchten 16 jüdische Kinder die beiden Schulen. Danach ging die Schülerzahl bis 1929 auf 4 zurück. 1938 wurde den letzten schulpflichtigen jüdischen Kindern der Besuch staatlicher Schulen untersagt. Dies traf Horst und Anni Kahn, die im Hause des Großvaters Josef Marx in der Severusstraße 3 lebten. Das Aufbaugymnasium in der Stadt wurde nur von einer jüdischen Schülerin, Nora Kaufmann, 1932/3, besucht. Nora erinnerte sich noch nach Jahrzehnten an viele Kränkungen durch ihre Mitschüler. r.

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