Leistungskurs Bildende Kunst des Kurfürst-Balduin-Gymnasiums Münstermaifeld 1997
Im Rahmen des Kunstunterrichts setzten sich die Schülerinnen und Schüler mit der zerstörten Synagoge in Münstermaifeld auseinander. Anfänglich diente die zerstörte Synagoge als Objekt, als romantisches Motiv für Freihandzeichnungen. Im Verlauf der Beschäftigung mit dem Motiv wurde den Schülerinnen und Schülern klar, dass auch die eigenen Kunstwerke nicht unberührt bleiben konnten von den Ereignissen, die zur Zerstörung der Synagoge führten.
Kursleiter Michael Saß:
„Anknüpfend an die örtlichen Begebenheiten, durch teilweise familiäre Erinnerungen vermehrt, dezimiert, aber auch intensiviert, entwickelte sich ein geschärftes Bewusstsein für einen Motivkonflikt gegenüber der Synagoge, der Ruine als Mahnmal. (…) Die Bilder/Objekte verdanken ihr Entstehen der persönlichen Betroffenheit des/der jeweiligen Schülers/Schülerin. Die Kursteilnehmer/innen versuchten, mit ihren Bildern dem Entsetzlichen und Unmenschlichen, dem traurigen und Unfassbaren, dem Unerwarteten, dem Verdrängenden und dem Neonazismus etwas entgegenzusetzen.
Die Selbst- und Fremderkenntnis gab Anlass für künstlerisch glaubwürdige Illustration, Provokation, ja für eigenen Ausdruck. Es galt nicht, mit den Sinnen, sondern auch mit dem Herzen, jedenfalls mit dem ‚Wie‘ des von uns Wahrgenommenen zu experimentieren.“
Es stellte sich die Frage: Zu was mahnt ein zerstörtes Bauwerk?
Eine tragfähige Antwort hierauf konnte nicht nur der Appell „Nie wieder!“ sein.
Aus dem „Wie“ als Frage nach dem zukünftigen Umgang mit dem Unfassbaren entwickelte sich die Idee eines produktiven, nach vorn gerichteten Umgangs mit den Ereignissen des 9. November.
Die Synagoge sollte auch für die Zukunft ein Ort des Gedenkens, des Sich-Erinnerns sein. Gleichzeitig und darüber hinaus eröffnete sich die Chance der lebendigen Auseinandersetzung mit der Geschichte und mit der christlich-jüdischen Kultur in Vergangenheit und Gegenwart.
So entstand die Idee des Wiederaufbaus der Synagoge in Münstermaifeld, die zur Gründung des „Fördervereins Synagoge Münstermaifeld“ führte.
Nutzungskonzept für die Synagoge Münstermaifeld
Leitgedanke: Die Synagoge Münstermaifeld ist ein Mahnmal für alle Bürger der Stadt, die aufgrund ihres jüdischen Glaubens von den Nationalsozialisten in die Emigration oder in den Tod getrieben wurden.
Jedwede Nutzung muss sich an diesem Leitgedanken orientieren.
In Fortführung der bisherigen Arbeit mit und an der Synagoge sollten in Kooperation mit den umliegenden Schulen Projekte stattfinden, die es Schülerinnen und Schülern ermöglichen, die Zeit des Nationalsozialismus konkret zu verstehen und sich mit ihr und ihren Auswirkungen bis in die Gegenwart auseinanderzusetzen.
Didaktische gesehen, steht das Synagogengebäude für die Auswirkungen von Totalitarismus in der Spielart des Faschismus.
Methodisch bietet es die Möglichkeit, sich mit regionaler Geschichte und Einzel- oder Familiengeschichte in der Hitlerzeit detailliert auseinanderzusetzen, ohne dabei allzu viel zu theoretisieren.
„Erzählte Geschichte“ durch Zeitzeugen oder die Gespräche mit den wenigen noch überlebenden Opfern sollten als wichtiges Element angesehen werden.
Diese sollten nicht nur unter dem geschichtlichen Aspekt geführt werden, sondern auch als interreligiöse und interkulturelle Begegnungen gestaltet werden.
Lesungen, die der Pflege des Jiddischen oder dem Verständnis des Beitrags der Deutschen jüdischen Glaubens zur Kultur unseres Landes dienen, sollten auch weiterhin stattfinden. Daneben könnte aktuelle Literatur, die sich mit dem Thema „Shoa“ oder Antisemitismus auseinandersetzt, durch Autorenlesungen präsentiert werden.
Gleiches gilt für Musik- und Tanzdarbietungen, die auch ein Bewusstsein für das kulturelle Erbe, das wir dem Judentum in Deutschland verdanken, schaffen können.
Dokumentationen, wie Foto- oder Bilder- und Skulpturen-Präsentationen können ebenfalls weitergeführt und in einem dann entsprechenden Ambiente besser präsentiert werden.
Diskussionsveranstaltungen, die aktuelle oder politische Themenstellungen haben, an denen sowohl Experten als auch Menschen aus dem politischen Umfeld und natürlich Bürgerinnen und Bürger der Stadt Münstermaifeld teilnehmen sollten, stellen sicher auch einen wichtigen Beitrag zur kulturellen Bildung der Region dar.
Schließlich haben die Stadtführer die Synagoge in ihr Programm aufgenommen, jährliche Gedenkgottesdienste zum 9. November und ein Programm zum „Tag des offenen Denkmals“ sollten unbedingt weitergeführt werden.